1870–1912:
Das neue Bayerische Wörterbuch
Schmellers Bayerisches Wörterbuch wurde 1872 durch den Nürnberger Georg Karl Frommann bearbeitet und neu herausgegeben. Die Bearbeitung beschränkte sich aber auf Formalia: Querverweise von Artikel zu Artikel und ein Register der Lemmata in alphabetischer Reihenfolge.
Anfang des 20. Jahrhunderts war man der Auffassung, dass ein vollkommen neues Wörterbuch des bairischen Dialekts geschaffen werden müsse. Das Material dafür solle durch Befragung von Mundartsprechern systematisch erhoben werden. Schmeller hatte seine Sammlung aus Eigenkompetenz, unsystematischen ad-hoc-Befragungen und historischen Schriftquellen zusammengetragen.
Man beabsichtigte den gesamten bairischen Dialektraum einzubeziehen, der sich östlich der Grenzen des Königreichs Bayern über weite Gebiete Österreich-Ungarns erstreckte. Es gab eine diesbezügliche Korrespondenz mit der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien. Im Jahr 1912 genehmigten die beiden Akademien ein gemeinsames Projekt, dessen hochgesteckte Ziele bis heute bei weitem noch nicht erreicht sind.
Man nahm sich vor, den aktuellen Mundartwortschatz durch postalische Sammlung anhand von Fragebögen und spontanen Einsendungen zu erheben. Dies sollte in Altbayern und in dem ganzen Gebiet der Donaumonarchie geschehen, wo auch immer dort bairische Mundarten gesprochen wurden. Die so gewonnenen Daten sollten nicht nur für ein Wörterbuch, sondern auch für einen Sprachatlas ausgewertet werden.
Für Österreich bedeutete dieses Projekt, dass der größte Teil der in diesem Bereich gesprochenen deutschen Mundarten damit abgedeckt war, denn außer dem Bairischen gab es hier nur relativ kleine Areale anderer Dialekte, wie das Ostmitteldeutsche in Böhmen und Mähren, das Westmitteldeutsche in Siebenbürgen und das Alemannische in Vorarlberg und Tirol.
In Bayern sprach aber weniger als die Hälfte der Bevölkerung bairisch. Im Regierungsbezirk Schwaben dominierten das Alemannische und das Schwäbische, in Ober- Mittel- und Unterfranken das Ostfränkische und in der damals noch zu Bayern gehörenden Rheinpfalz das Rheinfränkische.
Deshalb war von Anfang an vorgesehen, in Bayern die Sammelarbeit landesweit zu betreiben, also unter Einbeziehung Frankens und der Pfalz. Somit konnte auch der Grundstock für ein ostfränkisches und ein pfälzisches Wörterbuch gelegt werden.
Zu 1913-1940